Mittwoch, 24. März 2010

Up In The Air

up_in_the_airRyan Air am Prüfstand. Ryan Bingham (George Clooney) hat einen gleichermaßen simplen wie auch enervierenden und anstrengenden Job: er schmeißt Leute auf die Straße, wenn die jeweiligen Chefs für das Aussprechen der Kündigung zu feige sind. Und Clooney geht mit einer nonchalanten und gleichzeitig distanzierten Art an diese Arbeitskräfte-Terminierung, dass es einfach nur amerikanisch sein kann: sogar im Teppich-unter-den-Füßen-wegziehen ist die Freiheit des einzelnen stigmatisiert, wenn sie mittels umfangreicher Neuanfangs-Dossiers "verkauft" wird, wie Bingham erklärt.

Verträgliche Happen

"Up In The Air" könnte ein Film über das Corporate Amerika sein - ein Universum, das sich von sich selbst ernährt, das angesichts der Wirtschaftkrise nur unmerklich aus seiner Umlaufbahn manövriert wurde und sich doch fluffig leicht wie eine Daunenfeder wieder auf seine Ausgangsbasis zubewegt. Diese everything goes-Attitüde ist das Korrektiv für die verheerenden Ansagen, die Bingham seinen Klienten mit seinem gewinnenden Lächeln vor die Füße wirft. Dass die Kamera nicht länger draufbleibt, wenn mal wieder die Zeit für den Abschied gekommen ist, zeugt davon, dass Regisseur Jason Reitman die Sozialkritik eher in verträglichen Happen serviert denn als geballte Ladung. So bekommt der Streifen im Independent-Outfit den schalen Hollywood-Industrie-Beigeschmack.

I´m stereotype

Die Botschaft lautet wohl: Jobs sind Statussymbole, die zu verlieren die ultimative Katastrophe ist - sofern dieser Verlust eben nicht mit dem nötigen Brimborium als "Neubeginn" oder sogar als die Möglichkeit, endlich seinen lange gehegten Träumen nachzugehen, verkauft wird. Hier nimmt der Film auch die Wendung zur Love Story, wenn Bingham - dessen Leben als aseptischer Junggeselle voll ist von Platinkarten, Zusatzmeilen-Zielen und Stereotypen - in der Geschäftsfrau Alex (Vera Farmiga) eine verwandte Seele trifft, mit der es sich gut flirten lässt und die sich an die Regeln Binghams hält, wonach man sich von allem seelischen Bindungsballast befreien sollte - eine Einstellung, die er in seinen Motivationsseminaren predigt.

Change of plan

Dass Bingham am Schluß als Luftikus zum Sinkflug ansetzt, macht ihn zu einem ebenso passiv Beteiligten in diesem Spiel der chirurgisch sauber arbeitenden Kräfte wie all die Protagonisten der Bevölkerung, die er zuvor der Arbeitslosigkeit zuführte. Daran ist nicht so sehr die von ihm gönnerhaft belächelte Uni-Absolventin schuld, die er - ebenso wie die freizusetzenden Mitarbeiter - methodisch streichelweich wie ein Kind behandelt, nachdem sie sich dranmachte, ihm den Boden unter den Füßen zu entziehen. Daran ist vor allen Dingen Bingham selbst schuld, der merkt, dass er sich mit den von ihm selbst aufgestellten Regeln ins Ausgedinge manövriert. Und dank der zynischen Schlußpointe muss Clooney erkennen, dass sein kosmopolitisches Dasein nicht gegen ein Zwei-Zimmer-Haus mit Drei-Kopf-Familie einzutauschen ist.

Sonntag, 14. März 2010

Men Who Stare At Goats

men-who-stare-at-goats-posterAcid in the army: Jeff Bridges und Ewan McGregor mischen etwas LSD in die Frühstücks-Eier, die vom ganzen Bataillon verspeist werden. Woraufhin die Buben mit den Panzern spielen oder sich gewöhnliche Mistkäfer zu einem großartig anzusehenden Naturwunder auswachsen: "Men Who Stare At Goats" ist so was wie der (nachweislich tatsächlich vorgefallene) Versuch, linke Hippie-Kultur mit der Militär-Apparatur der USA zu verbinden.

Der Dude im Krieg

Dass so etwas prinzipiell nicht gutgehen kann, soll hier widerlegt werden. Zuvor scheint es jedoch verblüffend, dass die US-Army sich ideologisch so weit nach links bewegt, dass zeitweise der Eindruck vorherrscht, jetzt sei die Supermacht keine Supermacht mehr, sondern nur noch ein von Heidekraut und Leary-Essenzen beeinflußter Chaoten-Haufen. Die Hippie-Elite der von Jeff Bridges (der hier spielt und aussieht wie "Der Dude") gegründeten New Earth Army macht sich auf die Suche nach einem sauberen Krieg, in dem die Soldaten nur noch mit Blicken ihren Gegnern den Garaus machen sollen. Und wenn sie doch mal Waffen verwenden, dann bestehen diese aus nachwachsenden Rohstoffen.

Para-Parodie

Dass mehr von all dem wahr ist, als man zu sehen bekommt, verspricht schon der Film-Vorspann. Letztlich muss man sich fragen, warum die Movie-Crew, wenn denn so viel an Flower-Power-Army-Material vorhanden ist, eine derart uninspirierte Aneinanderreihung von halblustigen Pseudo- und Psycho-Anekdoten zusammenstückelt. Dass George Clooney (hier als begnadedster aller Hippie-Krieger) Talent zur Eigen-Satire hat, ist hinlänglich bekannt. Aber er kann den Film als fest ans Paranormale glaubender Lyn Cassady nicht retten.

Zum Meckern

Dass es keinen Spannungsbogen, sondern eher kleine Geschichten-Scharmützel gibt: ok. Dass die zweigleisige Handlung zwischen aktuellem Irak-Krieg und der in die 70er zurückreichenden Gründung der Habt-euch-lieb-Krieger wechselt, geht ja auch an. Nur: wo waren die Lacher? Ich konnte keine entdecken. Wenn Clooney uns seinen nackten Arsch zeigt oder er zur Übung Wolken zerplatzen lässt: alles halb so witzig. Dass der Film in konventioneller Schwarz-Weiß-Malerei endet, war dann keine Überraschung mehr.

Freitag, 12. März 2010

Alice in Wonderland

alice_in_wonderland_poster_6Eine Farb-Explosion - das ist die grundsätzliche Erwartung, wenn man hört, dass Tim Burton sich dranmacht, die wunderländliche Alice vom Mathematik-Altmeister und Prinz der Absonderlichkeiten, Lewis Carroll, zu verfilmen. Ich erwartete einen aus bunt gewandeten Kaninchen, in den Himmel wachsenden Zwergen und einer bekifften Grinsekatze zusammengebrauten LSD-Rausch - und der Kino-Besuch war diesbezüglich keine Enttäuschung.

Das livrierte Kaninchen

Die dem viktorianischen nicht angepasste, halb erwachsene Alice hat immer noch ihre Probleme mit dem Wunderland, in das sie dank eines geschürzten Hasen fällt, wobei die Jagd auf Meister Lampe mit dem Butler-Jäckchen für sie wichtiger ist als ihre eigene Verlobungs-Feier. So gibt Alice dann doch dem Fallen in ein tiefes Loch den Vorzug gegenüber ihrem altmodischen und unverzeihlich hässlichen Möchtegern-Bräutigam mit der furchteinflößenden Frau Mama. Also läuft sie dem livrierten Kaninchen nach. Und fällt ins Loch. Alice nämlich.

Gut gegen Böse?

Kennt man ja so weit. Von Lewis, dem Großen. Die Geschichte vom größer und kleiner werden. Von der roten und der weißen Königin. Und alles. Was aber dann folgt, hat mit dem Original wenig gemein. Man könnte jetzt natürlich sagen, ok, Tim Burton braut sich seine eigene Mulit-Color-Welt zusammen, in die er seine Alice hineinwirft. Und erzählt uns dann eine Geschichte. Allein: ich konnte keine Geschichte erkennen. Das immerwährende Gut gegen Böse vielleicht? Oder: Wie man auf einer großen bösen Hyäne reitet? Man könnte natürlich auch fragen, warum es für die rote Königin selbst am frühen Morgen nichts schöneres gibt als ein distinguiertes Ritual, das auf "Kopf ab" hinausläuft.

Mad Hatter als vermeintliche Rettung

Was aber letztlich für eine abendfüllende Unterhaltung zu wenig ist. Trotz einiger grandioser Szenen, für die zum Großteil Johnny Depp als Mad Hatter verantwortlich ist, scheint sich Burton hier zu sehr darauf verlassen zu haben, dass die Kinogeher damit zufrieden sind, sämtliche Töne des orgiastischen Farben-Orchesters in schönster Inszenierung vorgesetzt zu bekommen. Aber letztlich bleibt man im Film und einem der Film so fremd wie sich Alice vermutlich zu Beginn im viktorianischen Konformitäts-Wahnsinn gefühlt hat.

Montag, 1. März 2010

Shutter Island

shutter-island-di-caprio-headEin Film über das Kino selbst. "Shutter Island" erschüttert den Zuschauer und das Vertrauen in seine eigenen Augen, in seine Wahrnehmung, in seine Sinne. Wenn im Hurrikan Äste waagrecht durchs Bild fliegen und Leichen ihre Augen öffnen, dann ist die Einstellung die Einstellung, kameratechnisch, und der Kinogeher in erster Linie verwirrt.

Ein Film über das Sehen

Witzig ist in diesem Zusammenhang vor allem, wie sich all die filmtechnisch begabten Kritiker dran machen, Martin Scorseses neuesten Film in eine Schublade stecken zu wollen. Da wird mit Kategorisierungen wie "Horror", "Pulp" oder "Psychothriller" umhergeworfen. Dabei ist "Shutter Island" eine Bühne für Täuschungen, eine magisch unergründbare Stilisierung, eine Kamerafahrt jenseits der Realität ebenso wie ein Schlachtfeld der zu obskuren Tatsachen geronnenen Wahnvorstellungen.

Die Göttliche Komödie

Leonardo diCaprio kommt als US-Marshall Teddy Daniels gemeinsam mit seinem neuen Kollegen Chuck nach "Shutter Island", einer Gefängnisinsel für psychisch kranke Gewalttäter. Und schon die ersten Bilder - wie etwa die Fähre aus einer Nebelbank auftaucht oder diCaprio sich seekrankheitsbedingt ankotzt - deuten an, dass es sich hier nicht um eine Fahrt ins Blaue handelt. Eher sind die Cops ähnlich wie in Dantes Göttlicher Komödie dabei, am Tor zur Hölle zu klopfen. Die Musik, die düsteren Bilder, die Abgeschiedenheit des Ortes, die Feindseligkeit von Angestellten wie von Insassen - aus all diesen Zutaten strickt Scorsese mit großer Meisterschaft einen Fleckerlteppich aus Paranoia (der Film spielt in den 50er Jahren), Selbstzerstörung, Alpträumen und Psycho-Labyrinthen.

Fade-out

Mit ans Surreale grenzenden Bilderwelten nimmt Scorsese den Zuschauer bei der Hand und erklärt ihm wie einen Kino-Premieristen, dass die Bilder nicht immer das zeigen, was man sieht oder sehen will. Dass die Kamera hier nur dazu da ist, die gezeigten Szenen und ihre Bedeutung für den Zuschauer zu verwischen. Und während uns diCaprio und das Altmeister-Duo Ben Kingsley und Max von Sydow als undurchschaubere Anstalts-Ärzte Kintopp von der schönen Sorte liefern, ist die Auflösung all der aufgeworfenen Fragen zwar recht überraschend, allerdings ist die Erklärung für die Auflösung am Schluss ziemlich langatmig geraten und im Grunde überhaupt nicht mehr notwendig nach dem Showdown im Leuchtturm.

Freitag, 26. Februar 2010

The French Connection

frenchconnectionPopeye in Spinat-Laune. Gene Hackman fuhrwerkt als Criminal Cop in Brooklyn, als sei es seine eigene Spielwiese. Er legt sich da mit ein paar kleinen Dealern an, mit seinen Kollegen, mit seinem Vorgesetzten, bis er so lange herumspielt, dass er letztlich an einen Spielgefährten gerät, der in seiner Liga spielt. Fernando Rey nämlich als distinguierter Marseillaiser Drogen-Boss Alain Charnier.

Schlamm ohne Ende

Charnier ist es auch, der als einziger, wenn man sich jetzt mal auf die Äußerlichkeiten bezieht, keinen Dreck am Stecken hat. Der immer feinen Zwirn trägt, stets auf einschlägige Lebensumstände wie etwa das Verspeisen von Schnecken oder das Schlürfen von Rotwein wert legt und der nicht im Matsch wühlt. Alle anderen in William Friedkins Literaturverfilmung sind richtige Wühlmäuse - egal, ob Popeye oder sein Partner Cloudy, egal ob kleiner oder großer Dealer, egal, ob Anwalt oder Cop. "The French Connection" ist so eine Art Lokalaugenschein, welche Höhe die Schlammschicht in New York mittlerweile erreicht hat.

Schwach und schwächer

Hier ist niemand mehr sauber, und der, der rein äußerlich sauber ist, ist der dreckigste. Im Höllentempo schlagen sich hier die Ratten durch die dunkelsten Ecken von New York, nur um letztlich ein weiteres Eckerl zu ihrer umfassenden Desillusionierung hinzuzufügen. Popeye ist hier quasi der erste Stellvertreter dieser Theorie: latent gewalttätig, ein bißchen rassistisch und mit einer Berufsauffassung, die an eine gefährlich Obsession grenzt spielt sich Gene Hackman hier in die Herzen all jener Zuschauer, die eine Schwäche für Helden mit mehreren Schwächen und einen Sinn für schmierigen Realismus haben.

Hoch-Schau-Bahn

Und während der gute Cop hier all seine üblen Charakteristika ausleben darf - erstmalig in einer Zeit der groben Schwarz-Weiß-Malerei - ist "The French Connection" im Actionkino vor allem aufgrund der fieberhaften Autoverfolgungsjagd im cinematographischen Allgemein-Gedächtnis haften geblieben. Wenn Doyle seinen Lincoln hinter einer Hochbahn herjagt und grade mal so einem Kinderwagen ausweicht - im übrigen das einzige Gefährt, dem er wirklich ausweicht - dann ist das - ganz großes Kino. Stilbildend in seiner Kameraführung, progressiv in seiner Idee, verrückt in der Ausführung. Und wenn der Schluß des Films naht, dann ahnt man schon, dass Doyle nicht auf Absolution hoffen darf.

Montag, 22. Februar 2010

Yojimbo - Der Leibwächter

yojimboJapan hat sich mehrere Jahrhunderte lang bemüht, seinen Ehrenkodex zu unterfüttern. Egal, ob mit der ehrenhaften Fleischzerschneidung Seppuku oder dem Ethik-Katalog der Samurai, dem Hagekura. Dafür, dass der Einzug der Neuzeit in die tradierte japanische Gesellschaft - zumindest für die zeitgenössischen Kinogeher - mit einer Farce begann, dafür sorgte alleine Akira Kurosawa. Sein 1961 entstandener "Yojimbo" erzählt eine Geschichte, in der all das großartig gepflegte, großartige Image Japans in 107 Minuten Harakiri begeht.

Die abgehackte Hand

Toshiro Mifune als umherziehender, sich ständig am Rücken kratzender Ronin, ist so eine Art aus der Zeit gefallenes Relikt des mittelalterlichen Japan, das sich mit allerlei allzu menschlichen Mitteln durchs Leben schlägt. So hat der Großmeister der Samurai nicht nur Gerechtigkeitssinn in seiner Schwerterscheide, sondern auch Zynismus und Grausamkeiten sonder Zahl. Wobei letzteres eher eine Reaktion auf die neue Situation ist - in Yojimbo gleich mal effektvoll vorgestellt, indem Kurosawa einen Hund durch eine leere Dorfstraße jagt - mit einer abgehackten Menschenhand im Maul.

Die Karikatur eines Landes

Das Dorf besteht dabei nur aus einer Straße, aus einer finsteren Straße, dessen Dunkelheit sich durch den kompletten Film zieht. Schwarz ist die Nacht, schwarz ist die Zukunft Japans. So. Diese Straße ist Schauplatz eines Clash of Anti-Cultures, in dem zwei Familien sich mit Glücksspiel und angeheuerten Söldnern gegenseitig zu vertreiben/dezimieren/massakrieren versuchen. Der pessimistische Grundton des Films wird von Kurosawa mit den Unzulänglichkeiten der beiden Clan-Chefs und ihrer Gefolgschaft konterkariert, die Dinge tut und Sätze sagt, die teilweise eine völlig-von-der-Rolle-Charakterisierung hervorrufen.

Der Fleisch-Klopfer

Leuchtendes Beispiel ist der Bruder von Clan-Führer Ushitora, Inokichi, bei dem Überbiss und Übermut eine seltene Gemeinsamkeit eingehen. Höchst unterhaltsam auch der James-Bond-Der-Beißer-Verschnitt - ein Riese, der mit einem überdimensionierten Schnitzel-Klopfer in den Kampf zieht. In einen Kampf, der auch der Regiefeder Buster Keatons entspringen hätte können: Kurosawa scheint mit Genuss in den Wunden der japanischen Traditionen zu stochern, wenn er die beiden Familien auf die Straße schickt, waffenstrotzend und mit bösen Blicken, und beide Seiten mit der zwei-Schritte-vor-ein-Schritt-zurück-Taktik ihre eigene Kriegslust mit ihrer eigenen, wenig ehrvollen Angst vor der Konfrontation kommentieren. Sanjuro hat sich inzwischen auf den Glockenturm gesetzt und meint zum "Showdown", der letztlich ohne einen vergossenen Blutstropfen endete: "Interessant."

Mittwoch, 17. Februar 2010

Inglourious Basterds

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Kriegssatire oder Zelluloid-Blutrausch? In der falschen Zeit angesiedelter Italo-Western oder Splatter-Movie der Postmoderne? Wie immer ist die Arbeit von Quentin Tarantino ein bißchen was von allem - und trotzdem wieder eine eigenständige Kreation. Die unverschämt zusammengesammelten film-referenziellen Module sind, anders als bei Pulp Fiction oder den Reservoir Dogs, mit professioneller Akkuratesse aneinandergereiht. Tarantino inszeniert eine zweisilbrige Blut-Oper, die dem Zuschauer vor den Augen explodiert.

Der Skalp-Jäger

Tarantino macht keine Filme für Erwachsene. Was er macht, sind Zeugnisse eines kreativ-infantil-genialen Ideen-Donnerwetters, für das er auch noch die passende Worte findet. Wie schon im Vorgänger "Death Proof" zeigt Tarantino auch bei den "Inglorious Basterds", dass er sich neben dem Regie-Können auch eine Meisterschaft im Drehbuchschreiben angedeihen hat lassen. Mich hat bei dem Film weniger fasziniert, auf welchen verschlungenen Wegen die beiden Haupterzählstränge am Ende aufeinander treffen. Auch nicht, welch Talent in Wahrheit in Brad Pitt steckt, der unter Tarantino den blutrünstigen, nazi-skalp-geilen US-Leutnant Aldo "The Apache" Raine mit verwegenem Südstaaten-Akzent und dem Mut zum Anti-Heldentum spielt.

Der Juden-Jäger

Auch nicht, wie überzeugend Christoph Waltz den weltgewandten, immer lächelnden, sadistischen Nazi-Schergen darstellt. Die meisten Emotionen weckte diese letztlich absurde Machwerk dann, wenn die Protagonisten sich einzig auf ihre Worte verließen. Etwa gleich zu Beginn, als Jewhunter Landa (Waltz) einen kleinen französischen Bauern mit seinem Lächeln so lange in Sicherheit wiegt, bis er - immer noch inklusive Lächeln - am Ende aus dem Bauern herausbekommt, wo die gesuchte Familie steckt. Oder die Märtyrerin Shosanna, die mit einer aufgesetzten Unnahbarkeit versucht, sich gegen die Avancen des deutschen Volkshelden Fredrick Zoller zu wehren: Tarantino legt weniger Wert auf Splatter-Effekte - von denen es trotz allem nach wie vor genügend gibt - als auf das Runterbrechen seiner Helden auf eine für Tarantino richtig persönliche Note der Figuren.

Dienstag, 16. Februar 2010

A Serious Man

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Das Gottvertrauen von Larry Gopnik hat ein paar Makel: während das Leben des Physik-Professors in professionellen und beinahe ans rechnerische erinnernde, geordneten Bahnen verläuft, lässt Larry Gott Gott bleiben. Als sich der "serious man" jedoch mit dem Auseinanderfallen der physikalischen Axiome in seinem perfekt eingerichteten US-Vorstädte-Dasein auseinandersetzen muss, hofft er darauf, dass ihn Gott wieder zurück auf den richtigen Weg geleiten solle. Der jedoch lässt sich - im Coen-Film "A Serious Man" - grandios absurd, reichlich verschlungen, ungemein kryptisch und folglich wenig lehrreich von ein paar schrulligen Rabbis vertreten, die Larrys Probleme mit seiner neuen Welt - und mit Gott - letztlich um ein paar weitere Fragen bereichern.

Lonesome ride

Larry Gopnik ist im Ende der 60er in einer biederen US-Vorstand angesiedelten Coen-Film beim Versuch gescheitert, "ein guter Mensch zu sein". Aber im Gegensatz zu manch anderem Helden aus der Feder der Coens scheitert Larry nicht an seiner eigenen Megalomanie, an übermächtigen Gegnern oder an den eigenen Ansprüchen; Larry scheitert, ganz banal, am Alltag. In einer rasanten Abfahrt hinein in die tägliche Mühlmaschine von Kuriositäten, Abwegigkeiten und ins Chaos verliert Larry in kürzester Zeit seine Frau, sein Renomee, seinen Stolz, seinen Bruder und seinen Glauben - den an sich selbst, wohlgemerkt, da Gottes Beistand für den biederen Brillenträger (ganz großartig: Michael Stuhlbarg) zu Beginn seiner biblischen Odyssee noch nicht als Erleichterungsvehikel angedacht ist. Ein Vehikel, das, wie sich letztlich herausstellt, reichlich stottert.

Die Niederungen des Daseins

Die Nackenschläge für den Professor würden aber auch jeden Gläubigen erschüttern: Seine Frau offenbart ihm, dass sie die Scheidung will, weil sie sich mit dem schmierigen Sy Ableman (Fred Melamed) eingelassen hat; seine Universität erhält anonyme Briefe, die seine Reputation in Frage stellen; ein koreanischer Student versucht, sich mit Geld eine bessere Note zu erkaufen; sein Sohn kifft lieber zu den Klängen von Jefferson Airplanes "Somebody To Love", anstatt sich auf seine Bar Mitzwa vorzubereiten; seine Tochter scheint sich einzig um ihre Haare zu sorgen. Und dann ruft auch noch dauernd dieser komische Kerl vom Schallplattenversand an, der horrende Rechnungen beglichen haben will, obwohl Larry gar kein Clubmitglied ist.

"When The Truth Is Found To Be Lies"

Und als sich Larry schlußendlich doch dazu entschließt, seinem Leben, das er bislang von allen bösen Einflüßen abgeschirmt glaubt, mit einem Gang in die Kirche wieder eine Richtung zu geben oder Antworten zu finden, so erzeugen die Rabbis mit ihren Reaktionen auf die Heimsuchungen Larrys beim Physik-Professor aus gutem Haus nur die weitere Manifestation des Glaubens, dass sich Mr. Gopnik einer Apokalypse alltäglicher Abnormitäten gegenübersieht. Und während die ersten beiden Rabbis einfach nur vom Parkplatz oder von einer via Zähnen übersandten Botschaft reden, ist der dritte, der weiseste von allen, für Larry unerreichbar. Eben jener Rabbi ist es dann, der nach der Bar Mitzwa gegenüber seinem Sohn Jefferson Airplane zitiert: "When The Truth Is Found To Be Lies And All The Joy Within You Dies". So bleibt man am Ende mit dem Gedanken zurück, ob die Coens wohl gemeint haben: "Hilf Dir selbst, denn Gott wird es nicht tun". Oder war es: "Poplyrik ist die neue Religion"?

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